Künstliche Lunge für Bioreaktoren: RWTH Aachen Spin-Off BioThrust skaliert Stammzelltherapien

Das BioThrust Gründer-Team: (v.l.n.r.: Konstantin Kurz, Patrick Bongartz, Moritz Meyer)

Hallo Patrick, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst ! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei BioThrust kurz vor:

Ich bin Patrick Bongartz, Co-Gründer und CEO von BioThrust. Ich habe an der RWTH Aachen an angewandter und molekularer Biotechnologie sowie Chemischer Verfahrenstechnik geforscht und im Rahmen meiner Doktorarbeit eine Technologie entwickelt, mit dem die Kultivierung empfindlicher Zellen auf einen industriellen Maßstab skaliert werden kann.

Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen ?

Wir entwickeln einen bionischen Bioreaktor, der physiologische Bedingungen für die Zellkultivierung aufweist und somit die optimalen Voraussetzungen für einen erhöhten Zellertrag bietet. Unsere patentierte Begasungstechnologie kann man sich vorstellen wie eine künstliche Lunge, die die Zellen schonend mit Sauerstoff versorgt.

Innovation des Unternehmens: Ein Bioreaktor mit integrierter “künstlicher Lunge” für die Beatmung/ den Gastransfer der Stammzellen (hier im 200L Maßstab)

Welches Problem wollt Ihr mit BioThrust lösen?

Stammzelltherapien bieten enorme Potenziale zur Behandlung weit verbreiteter Krankheiten wie Diabetes I, Rückenmarksverletzungen, Multiple Sklerose und verschiedenen Krebsarten. Aktuell ist allerdings deren Herstellung auf Grund der sensiblen Zellen herausfordernd, was zu hohen Herstellkosten führt. Unser Bioreaktor erlaubt die skalierbare, optimierte Produktion der Therapien, womit wir die Herstellkosten deutlich senken können. Perspektivisch lässt sich unser bionischer Bioreaktor aber auch in anderen Bereichen wie z.Bsp. Clean Meat und synthetischen Biologika einsetzen.

Wie ist die Idee zu BioThrust entstanden ?

Die Idee ist im Rahmen meiner Doktorarbeit entstanden, als ich an der Produktion von nachhaltigen Waschmitteln geforscht habe. Nach den ersten Veröffentlichungen haben wir die ersten Anfragen von Zellproduzenten erhalten, die Potenzial in der Technologie gesehen haben. Daraufhin haben wir BioThrust gegründet. Was mich persönlich motiviert: Mit dieser Technologie können wir Stammzelltherapien, die Millionen (Kassen-)Patienten Heilung versprechen, diesen schneller zukommen lassen. Unser Ziel ist es, dass schon die Generation unserer Eltern von diesen Therapien profitieren kann – mein Vater hat immer körperlich gearbeitet, im Garten- und Landschaftsbau. Die Gelenke sind verschlissen, der Knorpel ist zerstört. Mit Knorpelersatztherapien auf Stammzellbasis könnten ihm und anderen viel Lebensqualität zurückgegeben werden!

Wie würdest Du Deiner Großmutter BioThrust erklären?

Unser Bioreaktor funktioniert wie eine künstliche Lunge oder Kieme und hilft empfindlichen Stammzellen, die Sauerstoff wie wir Menschen benötigen, beim “Atmen”. Dabei leiten wir die Luft durch künstliche Kiemen in ein Gefäß, in dem die Zellen wachsen und gedeihen. Über die Kiemen wird der Sauerstoff eingetragen und CO2 als Abgas ausgetragen.

Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?

Für ein Startup mit einer so breit anwendbaren Technologie wie unserer ist es zunächst immer wichtig, den besten Entry-Markt zu finden (Stichwort: Product-Market-Fit). Wir haben uns dafür verschiedene mögliche Anwendungen angeschaut, getestet und uns dann auf Stammzellen fokussiert. Die Kerntechnologie steht nun, jetzt werden wir sie gemeinsam mit Partnern und Zelltherapieproduzenten auf deren individuelle Bedürfnisse anpassen.

Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?

Wir verkaufen eine Steuereinheit, den sogenannten Bioreaktorcontroller, und dazu Bioreaktorgefäße, in denen unser patentierter Membran-Rührer bereits verbaut ist. Die Steuereinheit ist wiederverwendbar, die Bioreaktoren müssen aus Hygienegründen nach jedem Prozessdurchlauf ausgetauscht werden.

Wie genau hat sich BioThrust seit der Gründung entwickelt?

Nach dem frühen Industrieinteresse entstand die Idee, auf Basis der Technologie ein Unternehmen aufzubauen. Für die geplante Ausgründung wurde zunächst eine EXIST-Förderung beantragt, welche 2022 begann. Im Rahmen dieser Förderung wurde die Produktentwicklung für die Kerntechnologie abgeschlossen und erste Kundenprojekte durchgeführt. Seit Anfang 2024 hat BioThrust den erfahrenen Deep-Tech VC Freigeist als Investor an Bord und baut nun weitere Unternehmensstrukturen auf.

Wie groß ist Euer Startup inzwischen ?

Wir konnten kürzlich die promovierte Bioprozess-Expertin Dr. Yasemin van Heuvel für unsere Mission gewinnen. Yasemin leitet unser Labor und unterstützt uns bei komplexen biopharmazeutischen Produktionsverfahren und bei der Bedarfsermittlung potenzieller Kunden. Insgesamt sind wir aktuell 5 Leute und planen, das Team mit dem Investment und der operativen Unterstützung von Freigeist Capital weiter auszubauen.

Wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht ?

Wir haben mit intensiver Marktrecherche und zahlreichen ExpertInnengesprächen verschiedene Marktsegmente evaluiert und priorisiert. Damit ist es uns gelungen, mit dem Stammzellmarkt einen Bereich zu identifizieren, in dem unsere Technologie extrem gefragt ist, was den Markteintritt wesentlich erleichtert. Eine genaue Analyse des Product-Market-Fits können wir daher allen Tech-Teams wärmstens empfehlen!

Das Team ist zudem von herausragender Wichtigkeit. Die Gründer*innen müssen viel Stress und Belastungen über einen langen Zeitraum ertragen können und dennoch Respekt vor der Leistung des anderen zu zeigen und wertschätzend miteinander zu sein schafft eine positive Unternehmenskultur, die langfristig trägt.

Wie ist Euer Startup finanziert ?

Wir sind, wie erwähnt, seit Kurzem VC-finanziert Dank der Seed-Finanzierung von Frank Thelen’s VC-Fonds Freigeist Capital erhalten. Dazu ergänzen wir die Finanzierung mit öffentlichen Fördermitteln für Frühphaseninnovationen im Biotechbereich und ersten Produktverkäufen.

Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate ?

Wir möchten mit dem frischen Kapital unser Team aufbauen und erste Pilotprojekte realisieren, um so die Leistungsfähigkeit der Plattform bei den häufigsten Stammzelltypen zu demonstrieren. Anschließend ist der skalierte Markteintritt geplant.

Vielen Dank für das Interview.

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