EVERTREE lässt aus der Asche und den Erinnerungen an unsere Lieben einen lebendigen Baum erwachsen

Credits: Ruth Klapproth

Hallo Melissa, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst ! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei EVERTREE kurz vor:

Guten Tag! Mein Name ist Melissa Hohnke und ich bin seit fast zwei Jahren Teil des Teams von EVERTREE. Am Anfang war ich nur für das Social Media-Management zuständig – Heute übernehme ich zusätzlich alle anstehenden Aufgaben, von der Pressearbeit, über die Kundenberatung bis hin zum Administrativen. Dabei unterstütze ich auch die drei Geschäftsführer von EVERTREE: Christian Scherg, Edwin Otten und Andreas Hohnke. Hier wird das Beste aus drei Welten in EVERTREE vereint, denn EVERTREE ist von allen dreien die Nebentätigkeit, die sie neben ihren Hauptberufen ausüben. Die jahrelange Expertise aus der Kommunikation-, Bestatter- und Logistikbranche hat EVERTREE auf diesem Weg vorangebracht und immer weiterentwickelt. Wir sind ein kleines, gut eingespieltes Team, das EVERTREE mit viel Herz und
Engagement führt.


Vielleicht möchtest Du uns Euer Startups, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen ?
EVERTREE sind 100% biologisch abbaubare Urnen für Mensch und Tier, die zusammen mit Baumsamen oder angezogenen Pflanzen beigesetzt werden, sodass aus der Asche heraus eine lebendige Erinnerung wachsen kann. Unser Hauptsitz ist in Düsseldorf, Deutschland, wir haben aber auch noch Standorte in den Niederlanden und der Schweiz.


Welches Problem wollt Ihr mit EVERTREE lösen ?
Tatsächlich sind es mehrere kleine Probleme, die sich alle zu einem großen Problem in unserer Gesellschaft zusammen schließen.
Zum einen geht es uns darum, dass Tabu beim Thema Tod zu brechen. Dieses Tabu besteht bei Menschen und Tieren gleichermaßen, auch wenn man das vielleicht nicht denken mag. Bei den Tieren ist es ganz oft so, dass die Besitzer sich nicht trauen, offen über ihre Trauer zu sprechen, da sie dafür ausgelacht werden. Bei uns Menschen ist es immer noch so, dass zu wenig über den Tod gesprochen, nachgedacht und auch informiert wird. Niemand beschäftigt sich gerne damit, obwohl es jeden betrifft. Daher wissen viele auch nicht, wie sie mit dem Thema umgehen sollen oder haben sogar Angst davor. Wir möchten ein neues Bewusstsein für dieses Thema schaffen, dem Tod die Endgültigkeit nehmen und einen Raum schaffen, an
dem die Menschen über den Tod und ihre Gedanken dazu sprechen können, wenn sie es wollen. Ein weiteres Problem liegt bei der deutschen Friedhofspflicht und den Friedhöfen. Die meisten Menschen, vor allem die jüngeren Generationen, können sich nicht mehr mit dem Bild vom Friedhof, so wie es jetzt ist, identifizieren. Der Trend geht immer mehr in die Richtung von Urnen- und naturnahen, alternativen Bestattungsmöglichkeiten – etwas, was die meisten Friedhöfe nicht bieten können und leider auch nicht wollen. Die Folge dessen ist, dass die Menschen in zum Beispiel ferne Friedwälder auswandern müssen. Dadurch verlieren die Friedhöfe und Gemeinden Gelder und – was noch viel schlimmer und am entschiedensten ist – die Menschen können nicht heimatnah bestattet werden. Mit EVERTREE wollen wir dies ändern, da unsere Urnen eine natur- und heimatnahe Bestattung ermöglichen. Gleichzeitig unterstützen wir damit unsere Umwelt. Es werden neue Ökosysteme geschaffen, die Friedhöfe werden in ihrer Begrünung unterstützt, brachliegende Flächen werden reaktiviert und die Ziele des Klimaschutzes unterstützt. Es ist eine Bestattungsart, mit der die Menschen sich wieder identifizieren können.
Wir haben in all der Zeit gelernt, dass die Friedhöfe sich diesen neuen Bestattungsarten öffnen müssen, denn sonst werden sie in Zukunft große Probleme bekommen, was ja auch in niemandes Interesse ist, weil dadurch sehr viel Kultur und Tradition verloren gehen würde. Wir möchten einfach jedem Menschen die individuelle Bestattung ermöglichen, die er oder sie sich wünscht. Hoffnung und Trost zu schenken und Angst und Trauer zu nehmen – diese Wirkung von EVERTREE löst schon viele kleine Probleme, die wir in unserer Gesellschaft haben.

Wie ist die Idee zu EVERTREE entstanden ?
Kurz nachdem der Vater von den Geschwistern Andreas und Helena Hohnke verstorben war, haben die beiden mit Christian Scherg im Garten von Andreas gesessen, unter dem Walnussbaum, den ihr Vater gepflanzt hatte und unter dem er so gerne gesessen hatte. Sie philosophierten über das Leben und den Tod, dessen Endgültigkeit sie so nicht hinnehmen wollten. Unter diesem Baum, der so voller Erinnerungen steckt, entstand die Idee von EVERTREE. Die Idee einer lebendigen Erinnerung. Die Vision davon, dass der Tod nicht das Ende sein muss, sondern aus ihm heraus ein neues entstehen kann.

Wie würdest Du Deiner Großmutter EVERTREE erklären ?
Das könnte tatsächlich ein sehr interessantes Gespräch werden, da gerade die älteren Generationen noch sehr an den traditionellen Beisetzungen festhalten. Es sind auch die einzigen Sargbestattungen, die ich im Bekanntenkreis noch mitbekomme. Ich würde also damit beginnen ihr zu erklären, was es heute alles für
Möglichkeiten gibt und warum ich mich damit wohler fühle bzw. besser identifizieren kann als mit den alten und für sie traditionellen Beisetzungsmöglichkeiten. Ich würde ihr erklären, dass EVERTREE mir in vielerlei Hinsicht Ruhe gibt, wenn ich über mein Ableben nachdenke, und zwar aus den folgenden Gründen: Ich möchte meinen Angehörigen keine Grabstelle als Last aufbinden, um die sie sich kümmern müssen oder wo sie das Gefühl haben könnten, sie wären zu irgendetwas verpflichtet. Gleichzeitig kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als eine naturnahe Beisetzung. Optimal wäre für mich die Beisetzung zusammen mit einem Baum an oder in einem kleinen Friedwald, da ich so zum Erhalt und der Weiterentwicklung des Waldes beitragen kann. Ich hinterlasse etwas Wertvolles und greifbares, eine
lebendige Erinnerung, sodass ich nicht nur in den Köpfen und Herzen meiner Liebsten weiterlebe.
Gleichzeitig ermöglichen wir diese lebendige Erinnerung auch Tierbesitzern. Ich würde ihr von den Geschichten unserer Community erzählen, wie sehr ihnen EVERTREE bei der Trauerarbeit geholfen hat und was das für ein schönes Gefühl auslöst, wenn die ersten Blätter des Bäumchens erscheinen.
So würde ich meiner Großmutter EVERTREE erklären, ohne viele Daten oder Zahlen, denn worum es bei EVERTREE wirklich und zu jeder Zeit geht, sind Emotionen.


Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?
Wir lernen in unserer Arbeit stets dazu und dementsprechend hat sich auch unser Konzept seit der Gründung etwas verändert. Zu Beginn war es unser Ziel die Friedhofspflicht in Deutschland abzuschaffen, damit jeder seine Urne mit nach Hause in den eigenen Garten nehmen darf. Da haben wir jedoch schnell gemerkt, dass dieses Konzept von der Gesellschaft zwar gewünscht wird, die Verwaltungen und Gesetzesgeber aber noch nicht so weit sind. Gerade bei diesem emotionalen und wichtigen Thema möchte man ja keinen ständigen Kampf führen. Also haben wir den Schulterschluss mit den Friedhöfen gesucht und sind seitdem dabei, unsere Bestattungsart auf die Friedhöfe zu bringen. Gleichzeitig haben wir seit dem letzten Jahr eine weitere Urne für den Humanbereich produziert, die mit einem Fassungsvermögen von 3,5 Litern größer ist als unsere erste Urne. Bei den Humanbestattungen empfehlen wir dann angezogene Pflanzen zu nutzen, da die Baumsamen auf dem Friedhof den Elementen schutzlos ausgeliefert sind und eine kontrollierte Anzucht der Samen einfach nicht möglich ist.
Die Bestattungsbranche ist sehr interessant und vielseitig und daher ist es auch sehr spannend zu beobachten, wie unsere Idee – die an sich ja immer gleich bleibt – sich da einfügt und weiterentwickelt.


Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?
Mit unseren Urnen richten wir uns an die Human- und Tierbestattungsbranche. Sowohl unsere kleine 1,5 Liter Urne als auch die Große mit 3,5 Liter Fassungsvermögen ist 100% biologisch abbaubar und wird mit Baumsamen oder angezogenen Bäumchen und anderen Pflanzenarten beigesetzt. Die Tierurnen
dürfen zuhause im eigenen Garten beigesetzt werden und die Humanurnen auf dem Friedhof.
Bei den Tierurnen richten wir uns an die End- und auch an die Industriekunden und arbeiten dort auch eng mit unserem Partner Rosengarten Tierbestattung zusammen. Jede Urne wird mit Baumsamen verschickt, die die Kunden sich vorher aussuchen – die meisten entscheiden sich dabei für den Wildapfel.
Bei den Humanurnen sieht das etwas anders aus, da die Bestattungen im Humanbereich der Friedhofspflicht unterliegen. Dadurch dürfen wir die Urnen nur an die Bestatter und Bestatterinnen verkaufen. Unsere kleine Urne eignet sich hier auch wunderbar für die Beisetzung von Sternenkindern. Die Humanurnen werden in der Regel mit angezogenen Bäumchen oder anderen Pflanzen beigesetzt.


Wie genau hat sich EVERTREE seit der Gründung entwickelt ?
Wir waren im Mai 2021 mit unserer ersten Urne bei der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ und seitdem hat sich sehr viel getan! Angefangen damit, dass wir die Standorte in den Niederlanden und der Schweiz dazugewonnen haben, wo die Bestattungsgesetze nochmal ganz anders sind. Dort dürfen die Urnen auch mit nach Hause genommen werden, was zunächst ja auch unser großes Ziel war. Wir haben
uns eine tolle Community aufgebaut, mit denen wir uns regelmäßig über die Themen Leben, Tod, Trauer und Erinnerung austauschen.
Wie ich ja in einer vorherigen Antwort schon erzählt habe, lernen wir auf unserem Weg immer wieder dazu und hatten uns Anfang letzten Jahres dazu entschieden, den Schulterschluss mit den Friedhöfen zu suchen. Auf die Idee gebracht hatte uns unser jetziger dritter Geschäftsführer Edwin Otten, der als Hauptberuflicher Bestatter natürlich sehr viel mehr Expertise bei dem Thema hat als wir anderen. Mit ihm
zusammen haben wir dann unsere große Humanurne entwickelt, mit der wir im Mai 2022 auf der Bestatter-Fachmesse (BEFA) in Düsseldorf waren. Dort konnten wir unsere Idee einer breiten Masse vorstellen und haben so gute Kontakte in andere europäische Länder bekommen.
Im Juni 2022 haben wir dann einen großen Meilenstein erreicht: EVERTREE wurde auf den ersten deutschen Friedhöfen in der Gemeinde Selfkant zugelassen. Bis heute haben wir dort schon einige Baumbestattungen auf für uns ausgewiesenen Flächen durchführen können. Die Rückmeldungen der Angehörigen und unserer Community sind jedes Mal einfach überwältigend. Die Entwicklung EVERTREEs, die uns an den Punkt gebracht hat, an dem wir heute stehen, mit allen Bestattungen, die
wir in der Form durchführen konnten, hat vielen Menschen Hoffnung, Kraft und Trost geschenkt.
Mittlerweile wurden unsere EVERTREE-Human-Bestattungen in Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich und Ungarn durchgeführt und unsere Tierurnen wurden zusätzlich auch nach Frankreich geliefert.
Aktuell haben wir zwei neue Projekte begonnen, über die wir aktuell aber noch nicht zu viel verraten wollen – wenn die Zeit gekommen ist, geben wir dazu gerne noch ein Update!


Wie groß ist Euer Startup inzwischen ?
Unser Team besteht aus den drei Geschäftsführern Christian Scherg, Andreas Hohnke und Edwin Otten und mir, als einzige Mitarbeiterin für den Standort in Deutschland. Dazu kommen unsere Vertriebspartner Gerrit und Corinna Werkman aus den Niederlanden und Gisela, Seline und Monika aua der Schweiz.


Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen ?
So richtig schief gegangen ist bei uns zum Glück noch nichts! Wenn etwas nicht so gelaufen ist, wie wir es uns zu Beginn gedacht und gewünscht haben, dann die Geschwindigkeit, mit der wir uns auf unser Ziel zubewegen. Wir sind mit einer falschen Erwartungshaltung an die Sache herangegangen, da wir nicht damit gerechnet haben, dass sich die Verwaltungen und Kommunen so stark gegen Veränderungen wehren – besonders, wenn man dabei die Unterstützung so vieler Gemeindemitglieder und Menschen vom Fach hat.


Was habt Ihr daraus gelernt ?
Wir haben gelernt, dass der Weg zu unserem Ziel kein Sprint ist. Es ist eher eine Wanderung, auf der wir mit manchmal kleinen und manchmal großen Schritten auf unser Ziel zugehen.
Die Gespräche mit Bestattern und Menschen der Gesellschaft haben uns aber deutlich gezeigt, dass in den nächsten Jahren ein Wandel hin zu solchen alternativen Bestattungsarten stattfinden muss, wenn die Friedhöfe weiterhin bestehen bleiben wollen. Es zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, das Timing an manchen Stellen aber leider einfach nicht gepasst hat.


Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht ?
Wir sind sehr transparent, in allem, was wir tun. Das ist meiner Meinung nach besonders in dieser Branche sehr, sehr wichtig. Das Thema ist schon schwer genug und wenn sich ein Mensch in einer Trauersituation befindet oder gerade darauf zusteuert, braucht derjenige Fakten und Gewissheit, die ihn unterstützen. Wir
kommunizieren jeden unserer Schritte ehrlich, klar und transparent. Wenn eine Gemeinde unsere Bestattungsart nicht zulässt, müssen die Menschen, die dort beerdigt werden wollen, dies wissen, und zwar schon von der Sekunde an, in der sie uns kennenlernen und nicht erst dann, wenn sie die Beerdigung planen und dem Wunsch des Verstorbenen plötzlich nicht gerecht werden können.
Gleiches gilt für die Nutzung der Baumsamen und Pflanzen. Im Gespräch mit unseren Kunden weisen wir auf die Möglichkeit hin, dass die Samen nicht keimen oder die Pflanzen eingehen könnten. Es ist Natur, die niemand ganz unter Kontrolle hat und für die sich pauschal keine Richtlinien festmachen lassen. Hier helfen wir natürlich, wo wir nur können, indem wir zum Beispiel kostenfrei Baumsamen nachschicken, sollten sie beim ersten Mal nicht keimen.
Wir bekommen oft das Feedback, dass man bei EVERTREE spürt, wie viel Liebe und Energie wir in unsere Arbeit hineinstecken – ein großes Kompliment, das uns immer wieder zeigt, dass wir an der Stelle wohl alles richtig machen 😊

Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate ?
Über unsere laufenden Projekte können wir zu gegebener Zeit ein Update geben.
Unser Ziel ist es EVERTREE-Bestattungen mit Bäumen auf ausgewiesenen Flächen auf noch mehr Friedhöfe zu bringen. Jeder Mensch soll die Beisetzung bekommen, die er sich wünscht. Dafür setzen wir uns tagtäglich ein und wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass diese Bestattungsart Teil der Zukunft ist. Wir wollen weiterhin den Menschen eine lebendige Erinnerung geben, einen Ort des Trostes und der Hoffnung – Sowohl im Tier- als auch im Humanbereich. Wir wollen, dass durch unsere Idee weitere Bäume gepflanzt werden, die einen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten. Für eine schöne Zukunft für uns alle. 😊


Vielen Dank für das Interview.

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